Was sind wesentliche Neuregelungen, die das Mobilitätspaket trifft?
Das Mobilitätspaket der EU ist in verschiedene Module aufgebaut, die zeitlich nacheinander ihre Geltung erlangen, Im ersten Schritt sind neue Bestimmungen zur regelmäßigen Wochenruhezeit der Fahrer von Fahrzeugen größer als 3,5 Tonnen und ihre Rückkehrpflicht in das Heimatland, bzw. die Betriebsstätte des Arbeitgebers maßgeblich. Die regelmäßige Wochenruhezeit darf nicht mehr im Fahrzeug verbracht werden. Beim Thema Heimreise wird es schon diffiziler. Es handelt sich hier eher um ein Wahlrecht, statt einer Pflicht. Der Unternehmer muss das seinen Mitarbeitern ermöglichen und das Angebot für Kontrollen dokumentieren. Hinzukommt unter anderem auch eine geplante Rückkehrpflicht für Fahrzeuge und die Anpassung schon bestehender Regelungen zur Kabotage. Letztere erlangen aber erst im Februar 2022 Geltung.
Wie ordnet inTime als Unternehmen die neuen europäischen Regelungen ein?
Prinzipiell stehen wir voll hinter den Regelungen des Mobilitätspakets, vor allem wenn es um die notwendige Aufwertung des Berufsbildes eines Berufskraftfahrers geht. Betrachten wir die einzelnen Punkte genauer, muss man diese allerdings differenzierter bewerten. Bei der Rückkehrpflicht ist die Verordnung nicht eindeutig. Herausfordernd wird es bei der Umsetzung der wöchentlichen Pausenzeiten außerhalb der Fahrerkabine. Hier sehen wir das infrastrukturelle Problem der Rasthöfe. Parkplatzmangel für Lkw ist dabei das Eine. Fehlende Übernachtungsmöglichkeiten in Form von Hotels das Andere. Wie findet der Fahrer eine „geeignete“ Unterkunft und was ist geeignet? Soll er mit dem Sattelzug in die nächste Ortschaft fahren? Oder parkt er das Fahrzeug mit meist wertvoller Fracht auf einem Rastplatz und fährt mit einem Taxi weiter? Das sind alles Fragestellungen, auf die der Fahrer in seiner Arbeitszeit zusätzliche Antworten finden muss.
Wie kann man diese Probleme lösen?
Die Entscheidungsträger für das Europäische Mobilitätspaket haben mit den von ihnen gefassten Regelungen eine Basis geschaffen. Sie müssen aber weiter ihre Hausaufgaben machen und die Entwicklung des Marktes in einer Gesamtschau betrachten. So sind nach unserer Sicht unter anderem intensive Investitionen in die Infrastruktur entlang der Autobahnen notwendig. Es müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, mit denen die Initiatoren des Mobilitätspakets gewährleisten, dass sich die Situation der Fahrer bessert. intime hat hier für das eigene Unternehmen und somit auch für die Berufskraftfahrer schon proaktiv Vorarbeit geleistet und Planungssicherheit bzgl. Lenk- und Arbeitszeiten geschaffen. Hierzu gehört zum Beispiel, dass die Fahrer spätestens alle zwei Wochen nach Hause kommen.
Wie setzen die einzelnen EU-Mitglieder das Mobilitätspaket um?
EU-Verordnungen gelten ab dem Tag ihres Inkrafttretens automatisch in der ganzen EU. Im Gegensatz zu Richtlinien müssen sie nicht in nationales Recht umgesetzt werden. Sofern die EU-Verordnung in nationales Recht umgesetzt wird, haben die Mitgliedsstaaten jedoch einen Interpretationsspielraum, die Vorgaben des EU-Rechts weiter zu verschärfen. Frankreich ist ein aktuelles Beispiel. Hier wurde die Vorgabe zur Wochenlenkzeitpause auch auf Fahrer im Kleintransporter-Bereich bis 3,5 Tonnen und auf alle täglichen Ruhezeiten ausgedehnt. Davon ist im Mobilitätspaket erst einmal nichts zu finden. Die Frage ist: Wie reagieren die anderen EU-Mitgliedsstaaten? Das wird für uns als Logistikdienstleister die Sache operativ spannend machen. Hierzu gehören dann auch entsprechende Kontrollmechanismen. Mit diesen Faktoren steht oder fällt das ganze Konstrukt.
Wie sollen Kontrollen aussehen?
In Deutschland übernimmt diese Aufgabe das Bundesamt für Güterverkehr (BAG). Wie die Kontrollen im Einzelnen aussehen werden, ist noch nicht klar. Vorstellbar ist, dass das im Rahmen normaler Verkehrskontrollen auf einer Fahrt geschieht. Es sind aber auch Kontrollen stehender Fahrzeuge in Ballungsräumen oder in der Nähe von Logistikzentren denkbar, wo die Fahrer ihre Pausen verbringen. Letztlich soll mit dem Mobilitätspaket auch die Implementierung des digitalen Fahrtenschreibers einhergehen. So können aller Voraussicht nach, die Kontrollbeamten definierte Daten (Fahrzeugdaten, Informationen über Sicherheitsverletzungen sowie aufgetretene Fehlfunktionen) im Vorbeifahren auslesen. Der Plan ist: digital und transparent sein.
Wird das Mobilitätspaket Marktstrukturen verändern?
Das wird definitiv der Fall sein. Vor allem, wenn es um die Ressource Berufskraftfahrer und den Kampf gegen den Fachkräftemangel geht. Von Romantik und Abenteuer hat der Job ja nicht mehr viel. Geprägt ist eher das negative Image mit langen Arbeitszeiten, anstrengenden Umständen, unattraktiver Bezahlung. Wie auch in anderen Berufsfeldern, trägt der demografische Wandel auch im Kraftfahrer-Segment dazu bei, dass der Abgang verrenteter Mitarbeiter nicht durch Nachwuchs ausgeglichen wird. Daher ist die Imageaufwertung des Jobs durch das Mobilitätspaket ein guter erster Schritt. Allerdings wird es tendenziell auch nicht für mehr Fahrer auf dem Markt sorgen. Als sicher sehen wir an, dass die Mehrkosten für die Fahrt Auswirkungen auf die Frachtpreise haben werden, welche letztendlich auf den Endverbraucher umgelegt werden.